Christine Klimt und Stefanie Vasold, Verein Selbstlaut - gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Sexualität im Zeitalter von Web 2.0

Ausgehend von aktuellen Diskursen zu Jugendsexualität im, mit, durch das Web 2.0 werden Grundlagen der sexualitätsbezogenen Mediennutzung von Jugendlichen vorgestellt. In den Blick genommen werden Realitäten, Potentiale aber auch Risiken und Problembereiche von Jugendsexualität im Internet.

Das Internet einerseits verstanden als Ort, an dem sich Jugendliche nahezu ständig aufhalten, ein Medium der Selbstdarstellung und –bestätigung, Informationspool, intimer Kommunikationsraum mit Peers und BeziehungspartnerInnen, Fotoalbum, Tagebuch, Plattform des Kennenlernen neuer FreundInnen, des sich Ausprobierens und in verschiedene Rollen schlüpfen, ein Medium des Flirts und der Anbahnung, sexueller Stimulation und Entwicklung von Vorlieben und Abgrenzung. Ein Ort, an dem Jugendliche allein und mit anderen sexuelle Handlungen setzen, Pornos schauen, in sexuelle Kommunikation treten. Privat, halbprivat oder öffentlich. Darauf liegt der Schwerpunkt im ersten Teil des Vortrages.


Die Verflechtung des Internets mit sexuellen Praktiken von Jugendlichen birgt aber andererseits auch Risiken und Gefährdungen von Kindern und Jugendlichen. Sexuelle Belästigung, ungewollte Konfrontation mit sexuellen Handlungen, Veröffentlichung von privaten Bildern oder Cybermobbing findet in einer ernst zunehmenden Häufigkeit unter Jugendlichen statt.

Darüber hinaus ist das Internet für Erwachsene, die es darauf anlegen, ein einfacher Ort um mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu treten. Welche verschiedenen Formen von Übergriffen im Kontext der Mediennutzung stattfinden und wie Erwachsene damit umgehen können, wird im zweiten Teil des Vortrages beleuchtet.


Im dritten, abschließenden Teil wird der Blick auf Möglichkeiten der Vorbeugung und Begleitung von Jugendlichen gelegt. Dabei werden praktische Beispiele und Präventionsmethoden vorgestellt, wie mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet und ins Gespräch kommen. Darüber hinaus muss Prävention, die nachhaltig ist, aber auch erwachsene Bezugspersonen adressieren und institutionelle Praxen und Abläufe in Frage stellen. Letztlich geht es darum, diskriminierenden Verhältnissen auf allen Ebenen entgegen zu wirken und Kindern und Jugendlichen ein Umfeld zu schaffen, in dem sich sicher, stark und frei entwickeln und bewegen können und wissen, wo sie Hilfe bekommen, wenn sie Hilfe brauchen. Auch im Internet.

 

 


Lian Brugger, Sepideh Hassani, Verein comot*bewegungskulturen & soziale arbeit

Jugendarbeit aus queer-feministischer Perspektive: Transidentitäten

Ausgehend von einer sprachlichen Herleitung, des Begriffes Queer bietet unser Beitrag für diese Tagung einen Einblick in die historische Entstehung der Queer Theorie sowie der Queer Politik. Diese beiden Ebenen sind eng miteinander verbunden und haben ihren Ursprung in den USA. Die Eingliederung sowie praktische Ausgestaltung des Queer-Diskurses in Europa, sowie die Weiterentwicklung dieses Ansatzes, wird anhand konkreter Beispiele in Österreich dargestellt.

Die kritische Auseinandersetzung mit der Triade sex (biologisches Geschlecht), gender (sozial-kulturelles Geschlecht) sowie desire (Begehren), soll daran anschließend die Grundlage liefern, über die eigene fachliche Haltung und (Handlungs-)Praxis nachzudenken. Dabei wird dem Nachdenken über die eigenen Identität Raum gegeben und gefragt, wie unsere Lebensentwürfe ausgestaltet sein können und welchen Einfluss diese in der sozialpädagogischen Arbeit haben. In unserem Beitrag beschäftigen wir uns zudem mit Fragen wie: Von welchen Normen und (Wert)Vorstellungen geht die eigenen pädagogische Arbeit aus und wie beeinflussen diese unser fachliches Handeln? Welche Bilder von Geschlecht haben wir und wie fühlt es sich an, wenn Jugendliche oder Kolleg_innen diesen nicht entsprechen?

Zusätzlich sollen die in der professionellen Arbeit bereits existierenden Vorgehensweisen, welche Rollenklischees aufbrechen (wollen), diskutiert werden. Last but not least, werden wir uns damit beschäftigen, welche pädagogische Haltung notwendig ist, um (auch) Trans* und (gender)queeren Jugendlichen professionell und respektvoll zu begegnen.

 

Links

comot*bewegungskulturen & soziale arbeit

Dissens

TransX

TRIQ

Türkis Rosa Lila Villa

Les MigraS

TGEU - Transgender Europe

Materialien zum Thema Transgeschlechtlichkeit, Trans* in Arbeit


Marcel Franke, ASP Sozial und Kulturpädagoge

„durch den Monsun“ – geschlechtersensible Begleitung von Jugendlichen in Phasen der Berufs- und Lebensplanung

Wenn wir heute mit jugendlichen Mädchen* und Buben* über Arbeit sprechen, dann verbirgt sich dahinter nicht nur Erwerbsarbeit. Neben der Erwerbstätigkeit sind häusliche Arbeit, Familienarbeit, Erziehungsarbeit, ehrenamtliche Arbeit, Beziehungsarbeit und Gemeinwesenarbeit Aufgaben, die junge Menschen in ihre Lebensplanung aufnehmen und die sich aufgrund veränderter gesellschaftlicher Strukturen mehr vermischen. So z.B. stehen heutzutage oft beide - Partner und Partnerin - im Erwerbsleben. (Toolbox - Einkommensschere. Methoden für Coaching, Training und Beratung 2007)

 

Aber: Haben Mädchen* und Buben* unterschiedliche Vorstellungen von Arbeit in diesem vielfältigen Sinne? Was bedeuten diese gesellschaftlichen Veränderungen für Mädchen*, was bedeuten sie für Buben*? Welche Auswirkungen hat das Arbeitsverständnis auf Partnerschaft und in Bezug auf den konstanten Wunsch vieler 15 jähriger, eine Familie zu gründen? (SHELL-Jugendstudie 2010)

 

Im Übergang zwischen Schule und Beruf stecken viele Jugendlichen in ihrer Adoleszenzkrise und sind gefordert mehrfache Entwicklungsschritte zu meistern. Ihre Identität, ihre Zugehörigkeit zu Gesellschaft, Geschlecht wird noch entwickelt, oftmals irritiert und von den Jugendlichen verworfen. Ausgerechnet in dieser Phase der Irrungen und Wirrungen stehen Entscheidungen bezüglich der beruflichen und persönlichen Zukunft an, die oftmals für ein ganzes Leben wirksam werden.

 

Die Frage im Kontext einer professionellen Begleitung und Beratung von Jugendlichen in diesem Feld ist: Wie stark kann sich, darf sich die Berufsorientierung in die Lebensplanung der Betroffenen einmischen? Muss die Berufsorientierung nicht zwangsläufig mit der Lebensplanung verknüpft werden?

Gebraucht werden geschlechtersensible und genderkompetente Fachkräfte und vielfältige Angebote, um Mädchen* und Buben* in dieser komplizierten Phase ihres Lebens zur Seite zu stehen.

 

* Mit Mädchen, Buben, Frauen und Männer sind alle gemeint, die sich diesen Gruppen zugehörig fühlen.

 

PPP zum Vortrag



Mag.a Amanda Ruf, MA, und Ien – Jason Hartl

Von girls only zu undoing gender!

Anfänge und Perspektiven der feministischen Mädchenarbeit des Vereins Amazone


Unter dem Namen Kecke Quecke wurde der Verein 1998 mit der Einrichtung des ersten Mädchenzentrum Vorarlbergs ins Leben gerufen und 2001 von den Besucherinnen in Mädchenzentrum Amazone umbenannt. Stand in den ersten Jahren feministische Mädchenarbeit von Frauen* und Mädchen* für Mädchen* im Vordergrund, fokussiert der Verein Amazone zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit seit 2011 in Vorarlberg, Österreich und über die Grenzen hinweg die Entwicklung einer geschlechtergerechten Arbeit mit dem Ziel, Mädchen* auch in gemischtgeschlechtlichen Kontexten zu stärken und Mädchenarbeit mit weiteren genderpädagogischen Ansätzen zusammenzuführen.


Die Umsetzung der Arbeitsschwerpunkte Ausbildung, Gesundheit, Gewalt, Kultur, Multimedia, Arbeit, Politik und Sexualität erfolgt mit feministischer Haltung über die Zugänge Bildung und Förderung in drei Handlungssäulen:


  • das Mädchenzentrum mit geschlechtshomogenen Angeboten – etwa Café, Werkstatt, Proberaum, Workshops oder Girls4Girls-Aktivitäten – für Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren

  • die Mädchenberatung für Mädchen* und junge Frauen* und deren Bezugspersonen

  • die Fachstelle Gender, die Maßnahmen zur Dekonstruktion von Geschlechterrollenbildern mit und für Mädchen*, Jungen*, Männer*, Frauen*, Erwachsene, Institutionen und die gesamte Öffentlichkeit anbietet


In der Ausgestaltung der Maßnahmen geht es nicht nur um Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern insgesamt, sondern auch darum, Gleichberechtigung zwischen Mädchen* und Jungen* aller Kulturen, Nationalitäten, Religionen, sexuellen Orientierungen oder sozialen Verhältnissen herzustellen. Das Ziel einer geschlechtergerechten Gesellschaft erfordert Anstrengungen von allen Fachkräften und bezieht Jugendliche aller Geschlechter mit ein. Dem Verein Amazone ist es ein wichtiges Anliegen, soziale Geschlechterrollenbilder nicht nur zu verändern oder zwischen den Geschlechtern auszutauschen, sondern sie zu dekonstruieren. Geschlechterdemokratie kann nur erreicht werden, wenn soziale Zuschreibungen an Mädchen* und Jungen* grundsätzlich aufgelöst werden zugunsten einer freien Entfaltung von Begabungen und Interessen jedes Menschen jenseits geschlechtsspezifischer Zuschreibungen.


Die Verschränkung von Praxisprojekten mit Angeboten zur Qualifizierung und Weiterbildung im Verein Amazone ermöglicht einen Zugang, der von den Mädchen* und ihren Lebenswelten ausgeht. Sie sind die Kompetenzträgerinnen. Sie setzen Impulse, die mithilfe des Knowhows des Vereins in Ressourcen gebündelt und Strukturen übersetzt werden, um gemeinsam die Vision einer geschlechtergerechten Welt zu verfolgen.


Theorien über Geschlecht und Geschlechterverhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten stark ausdifferenziert. So ergänzt die Queer-Debatte den Sex- und Gender-Diskurs, stellt biologistische Grundlagen für Geschlecht grundsätzlich in Frage und bezeichnet somit die Kategorien Junge und Mädchen, Mann und Frau als obsolet. Dieses neue Theoriewissen stellt Einrichtungen, die sich mit Geschlechterarbeit befassen, vor Herausforderungen. Die durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis entstehenden Widersprüche müssen praxisorientiert und unter Einbezug aller Beteiligten beantwortet werden.


Im Vortrag wird ein solcher Auseinandersetzungsprozess aus Perspektive des Vereins Amazone beleuchtet und dessen Anfänge der feministischen Mädchenarbeit hin zur Perspektive der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit nachgezeichnet.

 

 

Im abschließenden Interview erzählt Ien von seiner Geschichte mit und im Verein Amazone.


*Mit Mädchen, Jungen, Frauen und Männer sind alle gemeint, die sich diesen Gruppen zugehörig fühlen.

 

PPP zum Vortrag